Warum sich die Rolle der B2B-Fachmesse im Marketingmix verändern muss
Meine Prognosen für die B2B-Fachmesse nach der Pandemie
2022 war der B2B-Vertrieb wieder glücklich: Er konnte zurück auf die Messe. Endlich wieder Business as usual. Die Kundengewinnung war wieder gesichert. Nachdem es im ersten Quartal noch Beschränkungen gab, ging es ab dem zweiten mit den Live-Veranstaltungen wieder so richtig los. Was haben sich alle gefreut. Oder Moment, so ganz wie vor Corona war es dann aber doch nicht.
Laut der AUMA wurden 2022 in Deutschland 280 Messen veranstaltet. 130 Messen wurden abgesagt. Nur eine Messe digital veranstaltet. 70 % der Aussteller fanden im Vergleich zu vor Corona ihren Weg zurück auf die Fläche. Bei den Besuchern waren es 55 % bis 65 % gegenüber vor Corona.
Höhere Besucherqualität Anzeichen für neue Besucherstruktur?
Trotz der Rückgänge waren viele Veranstalter und Aussteller zufrieden. Die einhellige Meinung war: Auch wenn die Besucherzahl geringer war, die Qualität war besser. Wer auf die Messe kam, hatte einen konkreten Bedarf, befand sich also schon auf einer späteren Stufe des Sales-Funnels. Messetouristen und Personen ohne konkreten Bedarf waren dagegen weniger unter den Besuchern.
Die Aussagen zu der Besucherstruktur haben mich zum Nachdenken gebracht. Wenn auch zukünftig nur Personen mit einem konkreten Bedarf die Messen besuchen – also Personen, die sich eher im Bottom-of-the-Funnel befinden – wie sieht dann die Rolle der B2B-Fachmessen im Marketingmix aus? In diesem Artikel wage ich eine Prognose. Und Spoiler: Ich denke, die Rolle der B2B-Fachmesse hat sich nachhaltig verändert.
Diese Rolle spielte die B2B-Fachmesse vor der Pandemie
Vor Corona war die Messe in fast allen Stufen des Sales-Funnels bzw. des Kaufentscheidungsprozesses ein wichtiger Kontaktpunkt zu potenziellen Kunden. Interessenten in der Bewusstseinsphase kamen auf die Messe, um allgemein zu schauen, was es Neues gibt. In der Überlegungsphase wollten die Interessenten ihre Lösungsideen anhand konkreter Produkte überprüfen. In der Entscheidungsphase wurden auf der Messe verschiedene Anbieter und Lösungen verglichen. In der After-Sales-Phase kamen die Kunden für einen Kaffee oder ein Bier auf den Stand, um sich auszutauschen.
In dieser Zeit waren die Messen ein fester Bestandteil im Marketing-/Vetriebsmix der genannten Sales-Funnel-Phasen.
Diese Rolle spielt die B2B-Fachmesse nach der Pandemie
In der Zwischenzeit beginnen die meisten B2B-Kaufentscheidungen online und werden auch zu großen Teilen online abgeschlossen (Quelle: Studie von TREW Marketing und IEEE GlobalSpec). Zudem hat der Gartner Report „Future of Sales 2025“ gezeigt, dass 44 % der befragten Personen aus der Generation Y keinen direkten Kontakt mehr zu einem Verkäufer haben wollen.
Besonders in der Bewusstseins- und der Überlegungsphase sind heute die Online-Kanäle Informationsquelle Nr. 1. Die Besucherstruktur 2022 hat gezeigt, dass die Messen hier weniger wichtig waren.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Vertriebs- und Marketingmaßnahmen, die als Kontaktpunkte zu den Kunden dienen. In den frühen Sales-Funnel-Phasen sind die Online-Kanäle heute wichtiger als der Vertriebskontakt.
Wer 2022 auf eine Messe ging, befand sich bereits in der Entscheidungsphase. Die Besucher hatten einen konkreten Bedarf und wollten nun ausgewählte Lösungen live erleben und vergleichen.
Wenn sich dieser Trend fortsetzt, solltest du als Marketingmanager deine Messe-Strategie anpassen.
Die zukünftige Rolle der B2B-Fachmessen – Empfehlung für deine Messestrategie
- Messen sind nicht länger der “Single-Point of-Kundengewinnung”, der sie für viele B2B-Unternehmen vor der Pandemie waren. Stattdessen sind sie ein Kontaktpunkt zum Kunden (neben anderen) in deren Kaufentscheidungsprozess.
- Messen sind heute der Kontaktpunkt in der Entscheidungsphase. Die Besucher wollen deine Produkte in Bezug auf ihre Anwendungen erleben, testen und vergleichen.
- Integriere deine Messeauftritte deshalb in Zielgruppenkampagnen: Nutze Online-Kanäle für die frühen Sales-Funnel-Phasen. Konzentriere deinen Messeauftritt auf die Entscheidungsphase.
- Auf welchen Messen du ausstellst, wird zukünftig von deinen jeweiligen Kampagnen abhängen.
- Passe deine Standgestaltung an:
Du musst nicht mehr alle Produkte und Neuheiten zeigen.
Präsentiere auf deinem Stand branchenbezogene Anwendungen mit deinen Produkten. Verdeutliche dabei, warum deine Produkte die besten Lösungen für diese Anwendungen sind.
Digital-Angebote der Messen: Was solltest du nutzen?
Die Erfahrungen in den Jahren 2020 und 2021 haben gezeigt, dass Messen nicht einfach so ins virtuelle übertragen werden können. Die Messen leben vom persönlichen Kontakt, vom Live-Erlebnis und den Real-Life-Gesprächen. Das ist ihre Stärke. Tatsächlich habe ich hier und da den Eindruck bekommen, dass die Digital-Angebote der Messen deshalb etwas in Verruf geraten sind. Das ist aber quatsch.
Parallel zur Live-Veranstaltung haben die meisten Fachmessen ihre digitalen Angebote ausgebaut. Dabei geht es nicht mehr darum, das Live-Erlebnis zu ersetzen, sondern es zu ergänzen.
Es gibt drei Schwerpunkte:
- Digitale Tools, um das Besuchererlebnis auf der Live-Veranstaltung zu verbessern. Die Messe Integrated Systems Europe in Barcelona bietet beispielsweise eine Besucher-App, in der Standpläne, Ausstellerverzeichnis und Konferenzprogramm abrufbar sind und der Messebesuch mit einer Kalenderfunktion detailliert geplant werden kann.
- Virtuelle Angebote parallel zur Messe für Personen, die nicht auf der Messe sind. Die Fachmesse InStand in Stuttgart setzt beispielsweise auf so ein Parallelprogramm. Auf der diesjährigen Messe wurden die Vorträge in einem Studio in der Messehalle aufgenommen, live in die Halle auf Displays übertragen und gleichzeitig online gestreamt.
- Virtuelle Angebote vor und nach der Messe, um das Messeangebot zu verlängern. Dazu gehören beispielsweise OnDemand-Videos von Messestreams. Einen Schritt weiter geht die Fachmesse Medica in Düsseldorf. Sie stellt ganzjährig ein redaktionelles Branchenportal zur Verfügung, in dem Aussteller ihre Produkt- und Fachinformation verbreiten können. Das Portal wird in den Wochen vor der Präsenzmesse um digitale Talkrunden ergänzt. Zudem gibt es Multi-Channel-Kommunikation über Newsletter, App und die Social-Media-Kanäle.
Diese digitalen Maßnahmen solltest du für deine Messeauftritte einsetzen
- Nutze für deine Zielgruppenkampagnen immer digitale Maßnahmen zur Kundengewinnung. Die digitale Kundenansprache ist der wichtigste Weg, um Neukunden auf dich aufmerksam zu machen.
- Dein Ziel ist dabei, dich für die ersten beiden Sales-Funnel-Phasen zu positionieren und darüber relevante Leads zu gewinnen – Stichwort Inbound Marketing.
- Mache dabei keine Einzelmaßnahmen, sondern bündle die digitalen Kanäle (bspw. Website, SEO, SEA; Organic Social-Media, Social-Ads, Webinare, eigene Hybrid-Events) innerhalb deiner Kampagnen. Das erhöht den Erfolg.
- Lade die gewonnenen Leads zusätzlich zu deinen Bestandskontakten auf die Messen ein.
Zudem würde ich alle digitalen Angebote der Messen nutzen, die zu deiner Kampagne passen. Damit kannst du deine Reichweite und deine Sichtbarkeit erhöhen.
- Das vollständig ausgefüllte Ausstellerprofil ist ein absoluter Mindeststandard. Darüber wirst du im Ausstellerverzeichnis gefunden, du kannst Backlinks auf deine Website setzen und die Integrated Systems Europe nutzt dieses beispielsweise für Ihre App.
- Ein Slot im Konferenzprogramm ist ebenfalls immer gut. Wenn die Konferenz gestreamt und später auch On-Demand zur Verfügung gestellt wird, erhältst du zusätzliche Reichweite.
- Nutze zudem ganzjährige Angebote als weiteren Kanal für dein Content-Marketing. Damit erhältst du zusätzliche Reichweite und kannst von der Reputation der Fachmesse profitieren.
Fazit - die Rolle der B2B-Fachmesse nach der Pandemie
Das Thema Messe bleibt spannend. Ich hatte im Sommer 2022 einige Aussteller nach ihrem Feedback zur B2B-Fachmesse nach der Pandemie befragt. Alle sind gespannt auf 2023. Ich bin gespannt, wie sich die Besucherstruktur entwickeln wird.
Ich denke, dass sich der Trend mit den Besuchern in der Entscheidungsphase fortsetzen wird. Ich denke auch, dass es von den Unternehmen falsch wäre, das Thema Fachmesse so weiterzuführen, wie sie es vor der Pandemie getan haben. Dieses: Wir gehen pro Jahr auf XX Messen, machen da Party und schauen danach, wie wir irgendwie Aufträge daraus generieren, funktioniert nicht mehr.
Auch Messeauftritte müssen, wie alle Marketingmaßnahmen, strategisch ausgerichtet werden. Dafür braucht es eine klare Zielsetzung, die messbar ist. Das funktioniert, wenn du deine Messeauftritte in Kampagnen integrierst.
Die B2B-Fachmesse nach der Pandemie: zum Weiterlesen und Weiterhören
Mark Herten: „Fachmessen auf dem Weg zur digitalen „always on“ Content-Plattform“ – ein Praxis-Interview erschienen im Podcast #Markfragtnach – der persönliche B2B Marketing Podcast
Ausstellen in Deutschland: Checkliste zu Messe-Strategie, -Auswahl und -Planung – Herausgegeben vom AUMA, dem Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V.
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